Über Penthesilea
Zum ersten Mal habe ich mich mit Kleists „Penthesilea“ vor vielen Jahren beschäftigt, als junge Studentin in meinem ersten literaturwissenschaftlichen Proseminar. In einem solchen Rahmen geht man natürlich völlig anders an einen Text heran, als bei den Proben zu einer Inszenierung. Als Schauspielerin interessiert mich beispielsweise nicht in erster Linie, dass „Mauerschau“ und „Botenbericht“ Stilmittel sind und die Möglichkeit bieten, Informationen an andere Dramenfiguren oder an die Zuschauer zu vermitteln. Vielmehr war für mich von Bedeutung, gerade auch die Szenen, die im Stück nicht gezeigt, sondern berichtet werden, durch Improvisation zu erarbeiten. Was räumlich hinter der Mauer oder zeitlich vor dem Eintreffen des Boten stattfindet, haben wir so handelnd zu unserer Erfahrung gemacht. Diese Erfahrungen sind dann in die Szenenproben und die Rollenarbeit und damit auch in die gesamte Inszenierung eingeflossen.
Ebenso wichtig waren Proben und Improvisationen, in denen wir Frauen/Amazonen in den Szenen der Männer/Griechen anwesend waren und umgekehrt. Dadurch wurden zum Beispiel Fremdheit und Unverständnis zwischen den beiden Lagern sehr viel deutlicher, nämlich spürbar, als dies bei der Textlektüre und -analyse der Fall war.
Ein weiterer wichtiger Punkt im Probenprozess war die Übertragung von Kleists Text in eine neuzeitliche, moderne Sprache. Die entscheidende Erkenntnis dabei war für mich, dass die jeweiligen Dramenfiguren dies in sehr unterschiedlichem Maße zuließen und die Figur Penthesilea – von ein paar alten Ausdrücken wie „erheischen“ oder „dünken“ abgesehen – ohne kleistsche Sprache nicht möglich ist.
Seit dem oben erwähnten Proseminar ist viel Wasser den Skamandros hinunter geflossen. Inzwischen bin ich seit Langem als Lektorin und Theatermacherin tätig. Von der Germanistikstudentin zu meiner Penthesilea bei der Tollhaus Theater Compagnie – das ist ein Weg für einen „Wunsch, der keine Flügel hat“.